Expeditionstagebuch

In dieser Kategorie berichten die Teilnehmer der Expedition in wechselnder Reihenfolge von ihren Erlebnissen.
Nach jeder Session entsteht so ein lebendiges Tagebuch voller Eindrücke, Gedanken und Perspektiven.

Achtung: Spoilerwarnung!

Wer die Kampagne „Die Berge des Wahnsinns“ selbst noch spielen möchte, sollte an dieser Stelle nicht weiterlesen. Das Tagebuch enthält zentrale Handlungselemente, Begegnungen und Wendungen der Geschichte. Einige Abläufe wurden in unserer Spielrunde verändert oder durch individuelle Entscheidungen der Spieler beeinflusst. Es handelt sich hierbei um ein persönliches Spielerjournal, kein Abenteuerleitfaden und keine Spielkritik, sondern um unsere ganz eigene Reise ins Ungewisse!

Tagebucheinträge der Teilnehmenden

Eintrag vom 3. September 1933 – Session #2: New York City |  Boyd Fletcher

Das Hotel

Am 3. September verließen wir das Zimmer von Professor Moore. In drei Tagen sollte J. B. Douglas, der ehemalige Kapitän der Arkham, in New York eintreffen. Er hatte sich ein Zimmer im Rapsberry, einem schäbigen Hotel abseits des Trubels von Manhattan, genommen. Ich muss gestehen: Ich war ziemlich neugierig, diesen alten Seebären kennenzulernen – aber darauf mussten wir noch warten.

Auch heute gab es wieder reichlich Aufgaben. Spency, unser Buschpilot, sollte die drei Boeings und die Fairchild aus New Jersey abholen und ihre Funktionstüchtigkeit überprüfen. Währenddessen führten Bartlet und Schmitty eine Inventur unseres Lagers durch.

Am Pier angekommen, verbündete ich mich mit Fineruth, Polanski und Sjorge. Unsere Aufgabe: die Konstruktion der Hundekäfige. Hunderttausend Höllenhunde! Niemand hatte eine Anleitung mitgeliefert, geschweige denn die richtigen Teile. Zum Glück hatte ich vorher Hidalgo kennengelernt – der Kerl spricht kaum Englisch, aber mit Säge und Hammer ist er ein verdammter Zauberer. Einige Stunden später, mit seiner Hilfe, standen die Käfige fertig da. Das hatte ich mir mit einem kräftigen Schluck Schwarzgebranntem verdient.

Organisatorisches Chaos

Ein kurzer Abstecher zu den anderen zeigte: Im Großen und Ganzen lief es – irgendwie. Die Generatoren waren noch nicht eingetroffen. Bartlet fluchte, es sei nur ein einziges Kochgeschirr geliefert worden – und die Ersatzteile für die Sägen waren da, aber keine Sägen selbst. Merkwürdig… bei den Hundekäfigen hatten wir doch reichlich Werkzeug?

Immerhin: Alle Funkgeräte waren vorhanden und funktionierten – zumindest laut Smith. (Patzer.) Auf Seite 3 war auch alles in Ordnung. (Patzer.) Was fehlte: Der Sprengstoff samt Zündmittel. Laut Plan sollte er in Spezialkisten geliefert werden. Smith meinte lakonisch, wir könnten uns den Weg notfalls mit unseren 72 Schneeschaufeln freigraben… Ich frage mich allerdings: Wo sollen wir die alle lagern? Zwölf hätten doch vollkommen ausgereicht.

Essen, Käse & Katastrophen

Das Essen? Eine Katastrophe. Überall Falschlieferungen. Wenigstens hatten wir genug Sauerrahm und Milch – wir ließen beides in der Sonne stehen, um schnell unseren eigenen Käse zu produzieren.

Und dann das Schlimmste: Jemand hatte uns alle Mundharmonikas gestohlen! Verdammt, was sollen wir nur ohne Musik machen?

Für heute war das definitiv genug Drecksarbeit. Ab ins Amherst Hotel. Dort unterhielten sich unsere „Eierköpfe“ mit Zeigs, Orgelfinger und Winslow – ein Wetterforscher und ein Gletscherexperte. Ich gestehe: Ich hörte kaum zu.

Verfolgung & Messe

Da Sonntag war, wollten Smith und ich die Abendmesse von Harriemet Fostick besuchen. Ich achtete genau auf unsere Umgebung – und ich sollte recht behalten. Ich war schon bereit, unserem Verfolger eins überzubraten, als ich erkannte: Es war nur ein Paparazzo. Glück gehabt – meine Verfolger hatten mich noch nicht gefunden.

Mit einer Zeitung verbarg ich mein Gesicht und überließ Smith den neugierigen Linsen. Das sollte noch Folgen haben… aber dazu später mehr.

 

Eintrag vom 4. September 1933 –  Session #2: New York City | Boyd Fletcher

Ich ging schlafen und wachte frühmorgens durch lautes Geschrei auf. Instinktiv griff ich nach meiner alten Betsy, die ich unter dem Bett versteckt hatte – aber ich beruhigte mich schnell, als ich die Stimme von Starkweather erkannte.

Die Hexe Lexington & eine Botanikerin

Diese Hexe Lexington war uns zuvorgekommen – und Starkweather tobte. Er war nun fest entschlossen, eine Frau mit an Bord zu nehmen. Saperlot, Frauen bringen doch Unglück auf See!

Unsere Abreise wurde auf den 9. September vorgezogen. Später stellte man uns die Dame vor: Charlene Witstone, eine Botanikerin.

Benny, der junge Kerl, beging beinahe eine Dummheit – ich bin mir sicher, er will auf der Reise einen ganz bestimmten Busch erforschen… Bei Gott, ich hoffe, er ist diskret und kann das vor Starkweather verbergen.

Eintrag vom 6. September 1933 –  Session #3: New York City | Dr. J.A. Bartlet

Früher Aufbruch ins Dunkel

Ich bin heute sehr früh aufgestanden, um gemeinsam mit meiner Bezugsgruppe das Hotel Wesbury aufzusuchen. Jetzt, da es draußen noch dunkel ist, scheint mir der ideale Zeitpunkt, um Kapitän J. B. Douglas aufzusuchen – hoffentlich noch bevor sich Reporter um unser Hotel scharen.

Professor Moore hatte ausdrücklich betont, dass Douglas nicht in den Trubel vor der Abreise hineingezogen werden möchte und wir diskret vorgehen sollen. Anders lässt sich auch kaum erklären, weshalb der Kapitän sich ausgerechnet in einem heruntergekommenen Stadtviertel so weit abseits von Manhattan einquartiert hat. Das Westbury ist meiner Einschätzung nach nicht einmal ein richtiges Hotel, sondern eher ein schäbiges Motel – die Bezeichnung Absteige trifft es wohl am besten.

Da ich gestern offenbar verfolgt wurde, bin ich heute besonders wachsam und warne auch meine Gruppe, größte Vorsicht walten zu lassen. Doch nur Herr Fletcher teilt meine Entschlossenheit zum frühen Aufbruch – die übrigen reagieren nicht auf mein Klopfen.

Schock am Frühstückstisch

Im Foyer bitte ich das Hotelpersonal, ein paar belegte Brote für uns vorzubereiten und einzupacken. Während ich darauf warte, gönne ich mir eine Tasse Kaffee und beginne, die Zeitung zu durchblättern – noch immer müde, aber entschlossen. Doch mein Blick bleibt auf einer Schlagzeile haften:

„Bekannter Hochseeschiffer ermordet! Kapitän Douglas: Tod am Hafen“

Ich kann es nicht fassen. Fassungslos rolle ich die Zeitung zusammen und eile zurück in unsere Etage. Dieses Mal bleibt es nicht bei höflichem Anklopfen – ich hämmere mit den Knöcheln an die Türen, bis alle wach sind. Auch in den Gesichtern meiner Gefährten erkenne ich Bestürzung. Selbst Professor Moore, dessen Zimmer sich auf unserer Etage befindet, wird nun geweckt – der Kapitän unserer Expedition wurde ermordet. Das müssen wir Moore mitteilen – und Starkweather ebenfalls.

Mit Ausnahme von Miss Charlene Witstone sind nun alle informiert. Wir verlassen eilig das Hotel Amherst und fahren mit dem Taxi von der 2nd Avenue zum Wesbury. Obwohl es noch vor Sonnenaufgang ist, lauern bereits Reporter vor unserem Hotel. Doch diesmal scheint mich niemand zu verfolgen.

Ankunft im Wesbury

Mit den ersten Sonnenstrahlen erreichen wir das verfallene Motel. Ich frage mich, ob es uns gelingen wird, das Zimmer des Kapitäns zu betreten – vielleicht finden wir dort Hinweise, die Licht ins Dunkel bringen.

Zuerst spricht Dr. Smith mit dem Inhaber des Motels, während Herr Fletcher das Gelände umrundet. Der Rezeptionist berichtet, dass das Zimmer von J. B. Douglas (Zimmer 23) versiegelt wurde. Ein Beamter des NYPD sei dort stationiert.

Gespräch mit der Polizei

Ich versuche, mit dem Polizisten ins Gespräch zu kommen – ein gewisser Jeremia Brams. Leider zeigt er sich ebenso verschlossen wie die Tür des Zimmers selbst. Herr Fletcher hatte ebenfalls keine Möglichkeit, von außen ins Zimmer zu gelangen – es liegt im ersten Stock, und die Fassade ist in einem besorgniserregenden Zustand.

Ich stelle mich vor und verlange, mit Leutnant Hansen vom Polizeirevier Battery zu sprechen. Ich mache klar, dass ich beabsichtige, auf ihn zu warten.

Improvisierter Plan

Währenddessen lässt sich Dr. Smith den Schlüssel zu Zimmer 21 aushändigen – es liegt direkt neben Zimmer 23. Laut Gästebuch wurde es zuletzt von einem Michael Sothcott bewohnt. Wie es der Zufall will, gibt es eine Verbindungstür zu Zimmer 23 – leider verschlossen.

Da uns die Expertise im Schlossknacken fehlt (und wir vom NYPD nicht gerade unbemerkt sind), scheint der Plan zunächst zum Scheitern verurteilt. Ich buche zusätzlich Zimmer 19, das ebenfalls an das Zimmer des Kapitäns angrenzt – allerdings ohne Verbindungstür. Lautstark zeige ich mich empört über den Zustand des Raumes – in der Hoffnung, das Personal und den Polizisten abzulenken.

Der Trick gelingt: Während ich den Rezeptionisten mit Beschwerden beschäftige, gelingt es Mr. Spencer, den Universalschlüssel an sich zu nehmen, die Tür zu öffnen – und ihn unauffällig zurückzubringen.

Der Tatort

Ich bleibe in meinem Zimmer und sorge mit lautem Umräumen und Putzen für Ablenkung. Währenddessen betreten Dr. Smith, Mr. Fletcher und Mr. Spencer endlich Zimmer 23.

Das Bild, das sich ihnen bietet, ist erschütternd:
Alles ist durchwühlt. Bilder liegen zerschmettert auf dem Boden, Rahmen zerstört. Die Kleidung aus einer Kiste ist über den schmutzigen Dielen verteilt. Notizzettel liegen verstreut. Auf dem Schreibtisch liegen mehrere Logbücher des Kapitäns – aber das wichtigste fehlt: jenes zur ersten Antarktis-Expedition.

Ein Foto zeigt die „Arkham Miskatonic“, das Expeditionsschiff der letzten Südpazifikreise. Ein weiteres zeigt zwei Männer – vermutlich J. B. Douglas und seinen Bruder Philip.

Auf den Zetteln finden sich Telefonnummern – unter anderem zu Starkweather im Amherst Hotel, Acacia Lexington und ein gewisser Gerald Brackman, ein Notar, wie Mr. Spencer später herausfindet.

In Zimmer 21 und 32 entdecken wir zudem Streichholzschachteln mit den Aufdrucken Purple Cup und Twenty-One Club – Hinweise auf mögliche Treffpunkte oder Verbindungen.

Der ungeöffnete Brief

Ein bedeutender Fund ist ein handgeschriebener, noch nicht abgeschickter Brief von Douglas an seinen Bruder Philip. Darin bringt er seine Wut über Starkweathers falsche Behauptungen gegenüber der Presse zum Ausdruck – er habe keineswegs zugesagt, an der Expedition teilzunehmen.

Douglas erwähnt außerdem einen seltsamen Mann im Wesbury, der ihn über das Buch „Die denkwürdigen Erlebnisse des Arthur Gordon Pym“ von Edgar Allan Poe ausfragt – eine Geschichte über Antarktisreisen, Schiffbruch und einen kannibalischen Stamm.

Rückkehr und neue Spurensuche

Unsere Recherchen blieben nicht unbemerkt – obwohl Wachmann Brams wohl nichts Verdächtiges bemerkt hat, wollen wir kein Risiko eingehen. Wir verlassen das Wesbury und nehmen mangels Taxi die Straßenbahn zurück zum Hotel Amherst – eine logistische Herausforderung.

Wir diskutieren das weitere Vorgehen. Ich schlage vor, eine Detektei mit der weiteren Ermittlung zu beauftragen. Uns rennt die Zeit davon – die Abreise ist bereits auf den 9. September vorverlegt – und wir sind weder ausgebildete Ermittler noch ortskundig (mit Ausnahme von Mr. Spencer). Außerdem sind unsere Gesichter inzwischen in jeder Zeitung abgedruckt.

Im Hotel hat sich die Lage zugespitzt: Die Reporter belagern nicht nur den Eingang, sondern auch die Flure. Sie drängen sich vor unseren Zimmern, wollen alles über den Mord an Douglas und seine Auswirkungen auf die Expedition wissen.

Begegnung mit Leutnant Hansen

Im Gedränge entdecken wir einen Mann, der uns ins Auge fällt – und der uns gezielt anspricht: Leutnant Hansen vom NYPD.

Ich erkläre ihm, dass wir gerade aus dem Wesbury kommen und beabsichtigt hatten, mit ihm zu sprechen. Ich erwähne auch, dass ich bereits gestern vor Ort war, weil Douglas seinen Bruder Philip treffen wollte – wir machten uns Sorgen.

Über unseren heimlichen Einbruch schweigen wir natürlich. Doch auch Hansen hält sich bedeckt. Er verabschiedet sich mit der Absicht, Starkweather und Moore zu befragen.

Plan B: Detektei

Den Pressevertretern versuchen wir auszuweichen – leider ohne Erfolg. Ein Gespräch mit Moore oder Starkweather bleibt bis zum Abend unmöglich.

Tim, der Rezeptionist, empfiehlt mir das Detektivbüro „Walter Wintschen & Sohn“, mit dem ich telefonisch Kontakt aufnehme und einen Termin für den nächsten Tag vereinbare.

Mr. Fletcher schwört zwar auf die „Pinkerton’s National Detective Agency“, doch da ich im Foyer keinen entsprechenden Flyer finde, bleibe ich vorerst bei Tims Empfehlung.

Eintrag vom 7. September 1933 – Session #4: New York City | Dr. Noah Smith

07.09.33 – Donnerstagmorgen

Ein ruhiger Morgen mit beunruhigenden Gedanken
Es ist Donnerstagmorgen. Zum ersten Mal auf dieser Reise habe ich etwas länger geschlafen – zumindest vor der eigentlichen Abreise. Dennoch lassen mich die Gedanken nicht los: Wer geht so weit, einen Mann zu ermorden, nur um eine Reise zu verhindern?

Meine nunmehr geschätzten Kollegen und ich begeben uns ins Foyer, um zunächst zu frühstücken. Ein paar zusätzliche Pfunde für die bevorstehende Fahrt können sicher nicht schaden. Es ist an diesem Morgen ziemlich überfüllt. Herr Moore befindet sich ebenfalls dort und winkt uns an seinen Tisch.

Die brennende Frage meinerseits, ob bereits ein Ersatz für Kapitän Douglas gefunden wurde, wird bejaht, doch weder Name noch weitere Informationen werden preisgegeben. Wir überreichen Mr. Moore die Warnung, die Expedition dennoch stattfinden zu lassen. Er betrachtet den Zettel skeptisch, behandelt ihn jedoch als Scherz. Dennoch wirkt er auf mich beunruhigt.

Auch den Tod von Kapitän Douglas stellt er als schrecklichen Unfall dar und wünscht die Begleitung unserer heiteren Gruppe zur morgigen Beerdigung. Wir erfahren, dass bei der Konkurrenz, der Lexington-Expedition, sogar eines dieser neumodischen Filmteams beteiligt sein soll – welch seltsame Zeiten.

Einbruch im Zimmer von Mr. Moore

Wir begleiten Mr. Moore auf sein Zimmer, um die Uhrzeit der Beerdigung zu klären. Dort angekommen bemerkt er sofort, dass die Tür leicht geöffnet steht. Mr. Fletcher wagt sich mutig als Erster hinein. Das Zimmer wurde anscheinend durchwühlt, niemand ist anwesend. Miss Witstone vom gegenüberliegenden Zimmer wird hinzugezogen; sie berichtet, nichts bemerkt zu haben.

Portier Tim teilt mit, dass während des Frühstücks ein Paketbote für Mr. Moore vor Ort gewesen sei, und angeblich habe Mr. Moore das Paket sogar abgezeichnet. Später stellt sich heraus, dass dies eine Fälschung war – dank des wachen Auges von Prof. Bartlet.

Unterdessen habe ich die Polizei informiert, die zeitnah im Hotel eintrifft. Laut ihren Ermittlungen handelt es sich beim Einbruch um einen Profi – oder jemand verfügte über einen Schlüssel zum Zimmer. Zudem verfügt die Polizei, dass sich alle Hotelgäste in ein An- und Abmeldebuch eintragen müssen.

Verfolgung des Paketboten

Unsere Gruppe entschließt sich, per Taxi zur Poststelle zu fahren, um den Paketboten anzutreffen. Dort erfahren wir nach kurzer Befragung, dass es sich um einen gewissen Mr. Arinelli handelt – ein ca. 1,80 m großer, stämmiger Italiener. Bei Gott, lass es kein Kommunist sein.

Die Befragung ergibt, dass der angebliche Mr. Moore rötliches Haar und eine Brille hatte. Dieser falsche Moore befand sich im Zimmer des echten Moore, trat aber so heraus, dass niemand ins Zimmer blicken konnte. Das Paket war eine Eilsendung mit Stempeln aus Hawaii, San Francisco und sogar Samoa. Außerdem wurde ein Fahrtenbuch erwähnt, womit sich eventuell der Absender ermitteln ließe. Für Rückfragen bietet Herr Arinelli einen Besuch in Little Italy an, wo er angeblich wohnt, und lädt uns sehr überschwänglich zu Pasta ein – welche Mr. Bartlet zögernd annimmt.

Mr. Spencer und ich beantragen das Fahrtenbuch des Paketes. Mit leichter Hoffnung werden wir es morgen einsehen können. Da wir alle noch Erledigungen zu tätigen haben, beschließen wir, uns später im Hotel wiederzutreffen.

Ermittlungen in der Hafenspelunke

Der Purple Cup, eine alte Hafenspelunke, wird von Mr. Fletcher und Dr. Bartlet aufgesucht. Mr. Fletcher befragt einige zwielichtige Gestalten bezüglich Kapitän Douglas. Bei der Rückkehr ins Hotel erleben Mr. Spencer und ich einen heftigen Streit zwischen Starkwether und Moore. Starkwether verdächtigt die Lexington-Expedition wegen des vermissten Paketes und schreitet großspurig von dannen.

Mr. Moore teilt mit, dass die Beisetzung des Kapitäns um 11 Uhr auf dem Friedhof St. Brigitt stattfinden wird. Zudem wünscht er ein Gespräch mit Miss Lexington, um theatralische Wogen zu glätten. Im Namen von Moore sollen Glückwünsche überbracht werden – klingt für mich nach einer Farce. Doch was der Auftraggeber wünscht, ist Gesetz. Vielleicht lässt sich so auch in Erfahrung bringen, ob die Lexington-Expedition manipuliert wurde.

Weitere Erkenntnisse

Mr. Fletcher berichtet, dass Douglas sich über Lexington und Starkwether beschwert hatte – doppelte Anwerbung?
Dr. Bartlet teilt mit, dass wir innerhalb eines Tages Fotoaufnahmen erhalten können, die zeigen, wer das Hotel betreten hat. Ich traue Miss Witstone keinen Meter. Sie versteckt sich hinter Anstand und vornehmem Verhalten, lächerlich. Nur weil sie ein oder zwei Bücher gelesen hat, glaubt sie, die schwere Welt der Männer zu verstehen.

Nach kurzem verbalen Hin und Her habe ich nachgegeben und werde Miss Witstone morgen zusammen mit Mr. Spencer zu Miss Lexington begleiten. Dieser Termin ist für 11 Uhr angesetzt.

Mr. Bartlet macht sich nun auf den Weg zu seinem Rendezvous mit dem Italiener.

Eintrag vom 8. September 1933 – Session 5#: New York City | Benjamin Spencer

Kater und merkwürdige Begegnungen

Boah, mein Schädel brummt. So fertig war ich schon lange nicht mehr – nicht mal damals, als ich diese fragwürdigen Pilze von diesem Indianer probiert habe.

Was war gestern eigentlich los? Gestern war der 8. September. Ach ja: die Beerdigung des Kapitäns. Aber da war ich gar nicht. Boyle und Bartlet haben sich das angeschaut, meinten aber, es sei ziemlich fad gewesen. Jedenfalls haben sie nichts erzählt, was nach Aufregung klingt.

Mein Besuch zusammen mit Smith bei der Lexington war da schon interessanter – mehr oder weniger. Ich hatte eigentlich gehofft, dass ich mit der Dame ein paar Worte wechseln könnte, sodass … naja, wer weiß. Immer gut, einen Fuß in einer anderen Tür zu haben, oder? Ich glaube, Whitstone denkt da ähnlich, auch wenn ich’s nicht beweisen kann. Auffällig war jedenfalls, dass sie nicht gemeinsam mit uns zu Lexington ging, sondern sich ganz zufällig kurz vorher dort einfand. Verdächtig.

Insgesamt war der Besuch bei der Lexington seltsam. Ich hätte sie gern mehr über diese Indianer-Landschaftsbilder ausgefragt, aber wir kamen irgendwie nicht richtig ins Gespräch. Außerdem ließ sich nicht im Geringsten durchblicken, ob sie womöglich hinter diesen gruseligen Warnungen und Drohungen steckt. Smith dagegen – ich glaube, der hat sich sofort ein wenig in sie verguckt. Edel und hübsch ist sie ja, aber auch ziemlich biestig. Wie auch immer, sie gab sich sehr abweisend. Vielleicht hat Whitstone ihr schon alles Nützliche gegeben? Ach, was weiß ich.

War sonst noch etwas? Ach ja – reichlich Koks von Borland. Und Alkohol trotz Prohibition.

Leider hat es auch nicht geklappt, mit Hilfe der Reporter den Paketdieb ausfindig zu machen.

Eintrag vom 9. September 1933 – Session 6#: New York City | Boyd Fletcher

Irgendwo im verdammten Hafen

Wir gehen also an Bord. Professor Bartlet, der alte Bücherwurm, hat sich tatsächlich noch ein paar Zitronen besorgt. Ich wusste nicht, dass man mit saurem Obst Polarluft überlebt, aber meinetwegen – er soll sich dran verschlucken, wenn’s hilft. Noah Smith hat sich in seiner neuen Krankenstation eingeschlossen und packt alles ein, als wollten wir den Krieg gegen die Pest höchstselbst führen. Alles steril, alles blank, alles ordentlich – ich werd’ ihm gleich mal ’ne Flasche Schnaps hinstellen, damit er merkt, dass wir auf ’nem Schiff und nicht in ’nem Scheiß-Lazarett fahren.

Benny Spencer turnt bei den Flugzeugen rum, klopft an den Flügeln wie ein Pfarrer an der Kirchentür. Soll er. Wenn die Dinger uns später nicht in Stücke reißen, danke ich ihm vielleicht. Und dann ist da noch Miss Whitstone, die keiner so richtig kapiert. Ich schwöre, sie schleicht überall herum wie eine Katze, immer am Gucken, immer am Lauschen. Ich wette, sie weiß schon, wann ich pisse, bevor ich’s selber weiß.

Die letzten Ölfässer werden an Bord gehievt, das Deck knarrt, und die Seemänner brüllen sich an wie Hyänen. Stinkt nach Diesel, Salz und dem kalten Atem vom Süden, der uns bald den Arsch abfrieren wird. Ich hab mein Bündel in die Kajüte geschmissen. Teile mir die Bude mit Bartlet. Feiner Kerl, aber wenn er im Schlaf Bücher zitiert, werf ich ihn über Bord.

Hab heute Abend noch zwei Gläser Rum gekippt, und beim dritten fing ich an, mich zu fragen, ob ich überhaupt noch zurückkomme. Irgendetwas liegt in der Luft, als ob die See selbst uns beobachten würde. Hab ich schon mal gespürt, damals oben am Yukon, wenn man nachts in den Minen stand und der Wind so komisch durch die Stollen gepfiffen hat – als ob man nicht allein ist, obwohl man allein ist.

Verdammt, ich hab keine Lust mehr zu schreiben. Morgen segeln wir. Mal sehen, was der Arsch der Welt für uns bereithält.

Hafen, kurz vor der Abfahrt

Plötzlich ein Knall, wie wenn ein ganzer Berg im Yukon zusammenkracht. Die Scheiß-Lagerhalle fliegt mir fast um die Ohren. Splitter, Rauch, Feuer – das volle Höllenprogramm. Ich spürte den Rum noch im Bauch, aber rannte trotzdem los, rein ins verdammte Flammenmeer.

Drinnen brennt die Welt. Balken krachen, Kisten spucken Funken, und es stinkt nach Öl, als wär der Teufel selbst am Kochen. Ich seh drei Gestalten im Qualm liegen. Zwei erkenne ich: Hidalgo Cruz, der flinke Techniker, der mir noch beim Hundekäfig geholfen hat, und Olav Snabjorn, ein Schlittenführer wie ich, einer mit Händen so groß wie Kohleschaufeln. Der dritte? Keine Ahnung, ein Fremder, aber alle drei sind weggetreten.

Andere rennen schreiend raus, vermutlich Hafenarbeiter. Einer taumelt, trägt noch einen Kameraden, bevor er in der Dunkelheit verschwindet. Und während alles kracht, folgen kleine Explosionen, als hätte jemand eine ganze Stadt voll Dynamit hier reingeschmuggelt.

Ich pack Cruz, schleppe ihn auf meine Schulter, der Rauch beißt mir die Lunge aus der Brust. Aber meine Pferdelunge? Die kennt Schlimmeres. Yukon-Kälte, billiger Whiskey, Minenstaub – das hier wird mich nicht umlegen. Huste wie ein Bär, aber komm raus mit dem Kerl.

Währenddessen seh ich Bartlet und Spencer am Pier wie Verrückte an den Kränen reissen, um die Ölfässer vorm Feuer zu retten. Vernünftige Männer, aber dumm genug, ihr Leben für ein paar Gallonen Öl aufs Spiel zu setzen.

Doch dann, hinten in der Halle, zwischen den brennenden Kisten – da hockt noch einer. Maschinenpersonal, denke ich, liegt gekrümmt wie ein Haufen Dreck. Aber das ist nicht, was mir die Haare aufstellt. Denn direkt daneben steht ’ne andere Gestalt. Aufrecht, ruhig, fast gelassen. Ein Metallkanister in der Hand, ’ne verdammte Schweißerbrille auf der Fresse. Sieht nicht aus wie ein Opfer – sieht aus wie der Bastard, der das Ganze angezündet hat.

Mir läuft der Schweiß ins Auge, und für einen Moment schwör ich, die Hitze formt Schatten an den Wänden, die sich bewegen, obwohl sie es nicht sollten. Scheiß drauf. Ich hab keine Zeit für Hirngespinste. Aber eins weiß ich: Dieser Feuerteufel will mehr als nur Zunder legen.

Nacht

Draußen treffe ich Noah Smith und übergebe ihm Cruz. Der Kerl hustet und riecht nach Ruß und Benzin, aber er lebt. Noah verarztet ihn und flucht leise, so als sei das eine häusliche Pflicht und kein Drama.

An Deck steht Bartlet an der Reling und glotzt in die Nacht, als könnte er mit seinem Blick den Übeltäter fangen. Mister Starkweather, unser Expeditionschef, ist auch an Deck gekommen. Der arme Kerl versucht, den Löschschlauch zu zähmen — und der Schlauch hat eher Gewalt über ihn als andersrum. Er knallt ihm quer über den Schädel, als hätte ihm jemand ’ne junge Robbe ins Gesicht geschleudert. Staub, Funken, und ein sehr peinliches Fluchen.

Porter und Laroche kommen ihm zur Hilfe, beide wie zwei Dampfhämmer, die mehr mit Wucht als mit Köpfchen rangehen. Sie kriegen den Schlauch halbwegs unter Kontrolle, aber das Biest zappelt weiter, spritzt Wasser in alle Richtungen, nur nicht dorthin, wo’s wirklich brennen soll. Professor Moore dreht an der Winde für die Ölfässer, Sykes hilft mit.

Ich kann nicht bleiben und zusehen, wie der Feuerteufel davonkommt. Also renne ich zurück ins Lagerhaus. Die Halle ist ein Chaos von Schatten, brennenden Kisten, und dem Stakkato von Tropfen, die zischend im Licht verschwinden.

Da steht er — oder besser gesagt, er versucht zu stehen. Die Gestalt ist flink, aber nicht flink genug. Eine Tür vom Notausgang klemmt, verbogen wie das Rückgrat eines alten Pferdes, und einer seiner Arme ist darin eingeklemmt. Sein Gesicht: halb Schatten, halb verkrustetes Rußgesicht. Über der Schweißerbrille blitzen Augen wie kalte Münzen. Für einen Moment dachte ich, die Augen sagen mir was, etwas, das mir nicht gehört. Dann hab ich’s weggeblasen wie einen schlechten Traum.

Ich schlag zu, dann schlägt er zu, und mein Gesicht wird warm und rot vom Blut. Scheiße, die Fresse tut weh; ich schmecke Metall. Er ist zäh, verdammt zäh, aber keiner von uns ist ungeschickt. Ich pfeffere ihm einen Haken, er taumelt und hustet, ich geb ihm noch einen, und dann ist er weg — bewusstlos, atmet noch, aber weg.

Er liegt auf dem Boden, die Schweißerbrille hat einen Sprung, sein Kanister neben ihm, halb leer. Ich halte ihm den Hals zu, um sein Keuchen zu hören, und für einen Splitter von Atemzug hab ich das Gefühl, sein Keuchen ist nicht ganz menschlich.

Ich hab den Feuerteufel an Bartlet übergeben, nachdem der endlich die verbeulte Tür freigekriegt hatte. Hätte schwören können, der Professor hat mehr an den Scharnieren gefummelt als an dem Bastard selbst. Jedenfalls war der Mistkerl festgesetzt, und ich war frei für den nächsten Gang in die Hölle.

Also wieder rein in die Flammen, zum dritten Mal. Ich weiß nicht, woher die Kraft kam, aber es fühlte sich an wie ein göttlicher Ruck, als hätte mir einer den Rücken mit purem Donner gefüllt. Miles und Figarson lagen drin wie zwei nasse Säcke, und ich hab sie beide rausgeschleppt, einer links, einer rechts. Die Lunge brannte, die Haut roch nach Schweinebraten. Vor der Halle kippte ich fast um, genau vor Smith. Er packte mich und gab mir ’ne Spritze Morphium, und dann war ich weichgekocht wie ein alter Hammel.

Während ich noch wegdämmerte, hat Bartlet den Feuerteufel tatsächlich wieder laufen lassen. Einer der Hafenarbeiter hat mir später erzählt, wie Spencer hinterhergesprintet sei, als wär er auf einer Tanzfläche und nicht in einem brennenden Hafen. Sie stolperten, rutschten, Spencer hat sich wohl mehrmals auf die Fresse gelegt, und am Ende sei der Brandstifter abgehauen. Der Arbeiter schwor, Spencer habe so geflucht, dass der Mond sich die Ohren zugehalten hätte. Und angeblich, ich wiederhole: angeblich, hat Spencer am Ende einem Ölfass den Stinkefinger gezeigt, weil er sonst keinen Schuldigen mehr fand. Ich war nicht dabei, aber so erzählen’s die Leute – und die haben selten weniger Schnaps im Blut als ich.

Dann noch eine Explosion, größer als die davor, und Asche fiel wie schwarzer Schnee auf uns nieder. Ich war schon halb weg vom Morphium und glaubte plötzlich, Noah sei mein alter Freund Raylan. Der arme Hund, damals vom Yukon von einer Lawine verschluckt. Ich sah wieder Weiß, Schnee, Tod. Also hab ich mich auf Noah gestürzt, wollte ihn mit meinem Körper schützen. Der Arme hat mich nicht weggeschubst, sondern mir einfach die zweite Ladung Morphium gegeben. Danach war ich still, ganz still.

Was dann passierte, weiß ich nur aus den Erzählungen. Die „Talahassee“ von Arcatia Lexington lief als Erste aus – großes Tamtam, Winken, Pfeifen. Spencer hat wohl vor Wut einen Stinkefeuer aufs Deck gezeigt, weil wir zurückbleiben mussten. Dann kam die Feuerwehr, mit Sirenen, Schläuchen und großem Trara, und Detective Hanson von der New Yorker Polizei. Hanson sah uns an, als hätten wir den ganzen Hafen selbst abgefackelt. „Eine gewaltige Pechsträhne“, meinte er nur, aber sein Blick sprach Bände: Verdächtig waren wir alle.

 

Eintrag vom 10. September 1933 – Session 6#: New York City | Boyd Fletcher

Bin im Krankenhaus aufgewacht, verarztet, zusammengeflickt. Drei Hafenarbeiter tot – aber keiner von unserer Expedition. Das ist mein Werk, verdammt noch mal. Bartlet wollte mich besuchen, aber nicht alleine, der feine Herr. Smith legte sich hin, während Bartlet mit seiner Frau schwatzte. Maurice Cole kam schließlich und holte mich raus. Ich war so müde, dass ich im Hotelbett direkt wieder kippte.

Eintrag vom 11. September 1933 – Session 6#: New York City | Boyd Fletcher

Morgens im Hotel

Morgens geweckt, erstmal ein Bad genommen. Der Rauch wollte nicht aus Haut und Haar, egal wie heiß das Wasser war. Spencer hat ein Paket angenommen, 30 auf 30 Zentimeter, Absender Boston. Drin war eine Schellackplatte in einer Holzhülle. Moore hatte ein Gerät, also haben wir sie später abgespielt.

Die Stimme auf der Platte krächzte:

„Arkham zweiter Flieger draußen, Magnetnadel zögert, versucht zurückzuholen… Elf Leichen geborgen, etwas hat an ihnen gearbeitet… Fenster ohne Glas… Schritte nicht im Takt eines Menschen… Vertraut nicht auf die Linien… letzter Funkspruch.“

Die Worte jagten mir eine Kälte in den Rücken, die nicht vom Bad kam.

Begegnung mit Moore & Starkweather

Wir gingen zu Moore. Er hielt erst eine Rede für die drei Toten, würdevoll. Dann Starkweather, feurig, fast zu feurig, als wollte er die Asche der Nacht mit Worten verbrennen. Kapitän Fredeburg meldete das Schiff einsatzbereit, Treibstoff aufgefüllt. Morgen brechen wir auf. Starkweather hat sogar eine eidesstattliche Erklärung abgegeben, dass wir unschuldig sind.

Später spielten wir Moore die Platte vor. Er erkannte die Stimme: McTight.

Bartlets Telefonat mit McTight

Bartlet telefonierte später mit McTight. Er sprach von Dyer, den Miskatonic-Bergen, grotesken Funden – riesige Seesterne, Algen, obduziert, Wahnsinn in der Stimme. Ein Mann, der die Berge gesehen hat und nie wieder derselbe war. McTight lallte von Dingen, die nicht sein dürften, dann plötzlich wieder freundlich: Einladung nach Kingsport. Aber dafür war keine Zeit mehr.

Abend im Purple Cup

Wir beschlossen, die letzte Nacht im „Purple Cup“ zu vertrinken.

Eintrag vom 12. September 1933 – Session 6#: Auf See | Boyd Fletcher

Zurück aufs Schiff. Detective Hanson stand da, mit Blicken wie Dolche. Mir war klar: unsere Reise beginnt nicht nur mit Eis und Wind. Da hängt ein Schatten über uns, und der hat nichts mit Rauch zu tun.